Lauschende Mädchenfigur
Argumentation
«Das Lauschende Mädchen» soll ein Andenken an die Sommer sein, die der deutsche Komponist Johannes Brahms am Thunersee verbracht hat. Von der Thuner Bevölkerung wird diese wunderschöne Statue jedoch als «Brahmsrösi» bezeichnet. Wenn man Brahmsrösi betrachtet, bemerkt man die detaillierte weibliche Gestalt eines Mädchenkörpers – und zwar ist das Wort «Mädchen» ganz geeignet, denn ihr Körper ermangelt jeder Art Dehnstreifen, Zellulite, Falten oder Körpermerkmale, das eine Frau ab einem bestimmten Alter besitzt.
Anhand dieses Textes möchte ich die Form und Gestaltung dieses Denkmals infrage stellen. Angesichts der Tatsache, dass diese Statue eine Hommage an einen Komponisten darstellt, fragt man sich: Warum denn ein nacktes Mädchen?
Möglicherweise ist eine der ersten Antworten, die jedem in den Sinn kommt, dass diese Figur Brahms' Liebhaberin abbildet. Allerdings, als er seinen ersten Sommer in Thun auf der Suche nach Inspiration verbrachte, war er 56 Jahre alt. Dementsprechend kann man behaupten (oder gar hoffen) seine damalige Liebhaberin sähe nicht wie diese Statue aus. Die zweite und romantische Möglichkeit wäre, dass die Statue eine Muse verkörpert, da diese Wesen der griechischen Mythologie als Inspirationsquelle dienten. Auf jeden Fall könnte dieses Wesen beim Tragen eines Kleids ebenfalls unseren Komponisten inspiriert haben.
Ob ihre Nacktheit mehr Menschen anspricht, oder der Bildhauer Oberweiten bewunderte, bleibt ein Rätsel, aber eines ist klar: Ein nacktes Mädchen hat nicht viel mit Musik oder mit Johannes Brahms zu tun.
Nicht alles ist negativ: Die Art wie sie steht und die Hand hinter dem Ohr lauschend hält, ist raffiniert, so wie die Art und Weise, wie ihre Haltung auf die Thematik der Musik bezogen ist, sich als originell erweist. Aus diesem Grund wäre meine erst vorgeschlagene Veränderung für dieses Denkmal ein Kleid. Ich würde ein delikates, leichtes, dynamisches Kleid skulptieren, um diese Skulptur im 21. Jahrhundert einem etwas weniger sexistischen Charakter zu verleihen. Zudem sollte an der vorderen Seite Brahmsrösis Podest ein kurzer Beschrieb des Denkmals und Musiknoten eingraviert werden, damit der Betrachter sofort wahrnimmt, dass es sich um Musik handelt. Als letztes würde ich eine kleine Musikanlage mit einem Photovoltaik-Panel montieren, wo Musikstücke Brahms während des Tages abgespielt werden.